06 Dez. 2021 - Fabian Schiller
Panik im Projekt
Was lernst Du hier?
Wir geben Dir eine Liste von Ideen an die Hand, die Dir helfen, unnötigen Druck und Panik am Ende eines Projektes zu vermeiden.
Bestimmt hast Du es selbst schon einmal erlebt: Das Projekt in dem Du mitarbeitest ist kurz vor dem Ende. In ungefähr einem Monat muss das neue System stehen und langsam breitet sich die unangenehme Sicherheit aus, dass das nicht mehr machbar ist.
Häufig bricht jetzt “Panik” aus. Wir versuchen mit allen Mitteln, das entstehende Feuer zu löschen. Gießen wir allerdings das falsche Löschmittel auf das Feuer, so entsteht schnell ein Großbrand und wir sind endgültig verloren. Und wie beim Feuer, ist es auch bei Projekten hilfreich nicht erst auf Feuer zu achten, wenn es bereits brennt. Präventivmaßnahmen (Rauchmelder installieren, brandsicher bauen) gegen Feuer sind meist viel kostengünstiger und effektiver als das Löschen und wieder Aufbauen. Auch bei Projekten gibt es Dinge, die man schon vor der Krise richtig machen kann, um idealerweise gar nicht erst in den Panik-Modus zu verfallen.
Das falsche Löschmittel bei brennendem Projekt sind beispielsweise oft Nachbesetzungen. Rauchmelder sind im Projekt gut geschnittene, klar definierte, möglichst kleine und fachlich abschließbare Meilensteine und Arbeitspakete. Im folgenden möchten wir Dir einige Ideen mitgeben, was Du tun kannst, damit Dein Projekt möglichst nicht explodiert:
Vor dem Projekt
- Einen guten Plan aufstellen: definiere klare fachliche Meilensteine. Innerhalb eines Meilensteins, erstelle kleine, abschließbare Arbeitspakete um Fortschritt gut erkennen zu können. Eine Möglichkeit hierfür ist die Verwendung von User Stories und User Story Maps. Eine User Story, die die INVEST-Kriterien erfüllt hilft dabei, zu erkennen, was tatsächlich bereits fertig ist und was noch getan werden muss.
- Investiere in ein gutes LiftOff. Lass alle Teilnehmenden im Projekt mit dabei sein, damit allen die Produktvision und die Projektstrukturen klar sind und möglichst wenig Unsicherheit herrscht. Je mehr Sicherheit die Mitarbeiter spüren, desto leichter fällt es mit der Arbeit zu starten.
- Teamzusammenstellung - Überlege welche Fähigkeiten nötig sind. Noch wichtiger ist häufig, dass die Projektmitarbeiter Interesse am Ergebnis haben. Widerstehe der Versuchung große Teams zu bilden, da diese häufig sehr ineffizient arbeiten. Teile das Projekt dann lieber in möglichst unabhängige Stränge auf.
- Team einbeziehen bei Initialisierung und Planung: Der beste Plan und das beste Projektziel nutzen wenig, wenn sie keiner kennt. Wenn Du Dein Team von Anfang an in die Entwicklung des Ziels und Plans einbeziehst ist das der beste Weg um von Beginn an ein gemeinsames Bild zu haben.
Während des Projekts
- Du solltest in regelmäßigen Intervallen (mindestens jeden Monat) den Fortschritt im Projekt für alle sichtbar machen. Idealerweise kannst Du zeigen, welcher Anteil der Anforderungen bereits funktioniert und was noch offen ist. Anhand der Daten (wie viele Funktionen haben wir in welcher Zeit fertiggestellt) sollte der Projektplan aktualisiert und eine Vorschau erstellt werden.
- Priorisieren ist ein Vorgang, den man nicht nur einmal zu Beginn des Projekts durchführt. Es ist eine ständige Bemühung. Je näher das Projektende kommt, desto stärker wird der Drang zur Priorisierung werden. Je früher Du das in die Hand nimmst, desto entspannter wird es gegen Ende des Projekts.
- Abgesehen von der Priorisierung ist es auch wichtig, möglichst kleine, fertigstellbare Arbeitspakete zu haben. Je kleiner und abschließbarer die Arbeitspakete sind (idealerweise fertige, nutzbare Funktionen), desto realistischer und klarer wird die Transparenz über den Projektfortschritt und desto besser kann man Priorisieren.
- Baue zuerst die wirklich (wirklich, wirklich!) wichtigen und notwendigen Dinge und erweitere diese später. Eine hilfreiche Frage für den ersten Meilenstein könnte beispielsweise sein: Was würden wir bauen, wenn das gesamte Projekt nur bis zu diesem Meilenstein laufen würde?
- Halte Deine Stakeholder sehr regelmäßig auf dem Laufenden! Je früher und konsistenter die Stakeholder informiert werden und ein Gefühl dafür bekommen, was geht und was nicht, desto einfacher wird die Kommunikation gegen Projektende.
- Führe regelmäßig (mindestens einmal im Monat) Retrospektiven durch, um zu erkennen, wo es Probleme und Hindernisse in der Entwicklung oder im Projekt-Team gibt.
- Wenn rechtzeitig (mindestens sechs Monate vor Projektende) klar ist, dass es am Ende Eng wird, dann kann auch eine Nachbesetzung hilfreich sein. Je früher, desto besser. Wenn erst kurz vor Projektende nachbesetzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Projektende sogar zusätzlich verzögert wird.
Kurz vor Ende (ab drei Monate vor Projektende)
- Wenn Du jetzt bemerkst, dass es zu Eng wird ist die erste Regel: DON’T PANIC. Panik löst in dieser Situation meist nur zusätzlichen Aufwand aus und macht einen erfolgreichen Abschluss noch unwahrscheinlicher.
- Eine Überlegung, die Du anstellen solltest ist, ob es irgendwie möglich ist, Teile der Arbeit nach außen abzugeben (das müssen dann allerdings Teile sein, die mit sehr wenig Erklärung und Begleitung abgegeben werden können). Manchmal können studentische Hilfskräfte das Team unterstützen und einfache Aufgaben abnehmen, so dass sich das Kernteam auf das wesentliche konzentrieren kann. Hin und wieder ist es auch möglich, ganze Arbeitspakete an andere Teams abzugeben.
- Beziehe Dein Team auf jeden Fall möglichst schnell und transparent in die Notfall-Planung mit ein. Jedem im Team sollte die Situation klar sein. Gleichzeitig muss es gelingen, dass das Team nicht in Panik verfällt.
- Erarbeite Pläne B, C, D, E, …. um möglichst viele Optionen zu finden, das gewünschte Ende doch noch irgendwie zu erreichen. Welche Notfalllösungen sind denkbar? Wo kann man noch abspecken? Was kann man weglassen? Welche Termine sind noch verschiebbar?
- Überlege gut, ob alle Funktionen tatsächlich umgesetzt werden müssen. Manchmal können bestimmte Funktionen eine gewisse Zeit lang auch anderweitig (beispielsweise Manuell) betrieben werden und die eigentliche (automatisierte Funktion) kann später noch nachgeliefert werden.
- Erweitere jetzt keinesfalls mehr das Projektteam! Drei Monate vor Ende des Projekts ist es fast sicher, dass neue Leute im Projekt mehr Arbeit (zur Einarbeitung) verursachen, als sie tatsächlich abnehmen können. Das verzögert das Projekt höchstwahrscheinlich noch weiter.
Nach dem Projekt
- Egal, wie es ausging: Wenn Du merkst, dass alle ihr Bestes gegeben haben um den Projekterfolg doch noch möglich zu machen (auch wenn es letztendlich dann nicht geklappt hat): Feiere! Das Verhalten des Projektteams sollte auf jeden Fall angemessen gewürdigt werden. Auch wenn das Ergebnis nicht das gewünschte war.
- Blicke gemeinsam mit dem Team auf das Projekt zurück und überlegt, was ihr aus diesem Projekt für mögliche künftige Vorhaben lernen könnt.
Wenn Du all diese Hinweise in Deinem nächsten Projekt berücksichtigst, ist dies natürlich noch keine Garantie dafür, dass es auf jeden Fall gut ausgeht. Das kann es ja gar nicht sein, denn schließlich sind Projekte ja per Definition immer Vorhaben mit unsicherem Ausgang. Das bedeutet aber nicht, dass man die Wahrscheinlichkeit für einen guten Ausgang nicht dramatisch erhöhen kann...